MWST Anmeldung / Vorsteuer (Nachteile / Vorteile)?

Hallo liebe Finanzrudel Community!

Ich entschuldige mich schonmal für die „Anfänger“-Frage, aber ich bin noch relativ neu in der Selbstständigkeit (Einzelfirma) und betreibe das nur nebenberuflich. Ich bin seit einiger Zeit im Print-On-Demand Business und habe noch keine Gewinne erzielen können die vergangenen Jahre (weil ich auch initial viel in das Business investiert habe). Das könnte sich dieses Jahr aber allenfalls ändern.

Ich bin nicht bei der MWST gemeldet, weil ich anfänglich dachte ich brauche das nicht weil ich die 100’000 CHF Umsatz sowieso nicht erreiche.

Ich habe aber nun erfahren, dass man bei gewissen Investitionen die Vorsteuer geltend machen könnte - Ich habe bspw. hohe Advertising-Kosten auf Amazon.de (ich bewerbe/vertreibe meine Print-On-Demand Produkte da), bei der Abrechnung dieser Werbekosten werden dann jeweils 7,7% MWST drauf geschlagen.

Habe ich da etwas verpasst die vergangenen Jahre bzw. hätte ich einen Vorteil gehabt wenn ich mich freiwillig bei der MWST angemeldet hätte?
Ich dachte immer es wäre eher ein Nachteil, wenn ich mich MWST-pflichtig mache, dann muss ich ja auf alle Gewinne die ich erziele sowieso nochmals 7,7% abführen oder? Dann mache ich ja noch mehr Verlust als ich es sowieso schon habe (wie gesagt, ich hatte noch kein Jahr mit Gewinn bisher, weil ich immer viel ins Business investiert hatte).

Ich habe dann auch gesehen, dass man die MWST theoretisch ganz einfach online mit «ESTV-SuisseTax» oder «MWST-Abrechnung easy» erledigen könnte. Weiss jemand wie das genau funktionieren würde? In dem Erklärvideo werden einfach irgendwelche totalen Zahlen eingetragen, wieviel Vorsteuer etc. abgezogen wird, wer kontrolliert dass denn? Müsste man nicht alle Belege mit einreichen?

Ich entschuldige mich nochmals für diese „Noob“-Frage :slight_smile: Aber wie bereits erwähnt ist das für mich aktuell noch etwas Neuland betreffend MWST-Thematik oder auch wie das mit der Vorsteuer genau funktioniert - Und irgendwie findet man auch sehr selten gute Informationen dazu online. Auf jeden Fall, vielen Dank im voraus, ich wäre dankbar für jede mögliche Hilfestellung, das Ganze bereitet mir gerade sehr viel Kopfzerbrechen.

Falls deine Kunden (MWST-pflichtige) Firmen sind, dann ist eine MWST-Anmeldung vermutlich immer vorteilhaft, denn für Firmenkunden zählt der Nettopreis ohne MWST. D.h. wenn du neu MWST darauf schlagen würdest, wäre das für deine Kunden kein Problem, da sie selbst diese MWST wieder als Vorsteuer abziehen können (angenommen keine Probleme mit bestehenden Verträgen). Und du könntest vom Vorsteuerabzug profitieren.

Falls deine Kunden Privatpersonen sind (oder Firmen ohne MWST-Anmeldung), so ist eine freiwillige MWST-Anmeldung wohl eher ein Nachteil. Solange die Firma Verlust macht ist es möglich, dass du netto Geld von der Steuerverwaltung zurückfordern kannst. Aber spätestens wenn du Gewinn erzielst ist dies wohl nicht mehr möglich, ausser dein Produkt ist in der Kategorie mit reduziertem MWST-Satz (2.5%).

Obiges gilt für Inlandkunden. Bei Versand ins Ausland wird es etwas komplizierter, da du dann möglicherweise ausländische MWST abrechnen müsstest. Da kenne ich nicht alle Details. Ich habe auch keine Ahnung, ob es beim Vertrieb via Amazon bzgl. MWST etwas zu beachten gibt.

Du musst eine ordentliche Buchhaltung führen. Dies ist auch ohne MWST-Anmeldung der Fall, aber die ESTV hat zusätzliche Anforderungen z.B. bzgl. Belegaufbewahrung. Buchhaltungsprogramme mit Unterstützung für die Schweiz (z.B. Banana) können bei korrekter Buchführung die Zahlen für das MWST-Formular ausgeben. Normalerweise müssen Belege nicht eingereicht werden. Aber die ESTV kann eine MWST-Kontrolle durchführen, wo Buchhaltung und Belege kontrolliert werden.

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Vielen Dank für die umfangreiche Antwort.

Bei den Print-On-Demand Produkten geht es vorrangig um T-Shirts die auf Amazon vertrieben werden. Dabei fungiere ich selbst nur als Designer und lade die Designs bei Merch by Amazon hoch (eigenes Amazon-Programm um T-Shirts auf Amazon zu vertreiben). Ich habe somit nicht mal direkt Kontakt mit Endkunden, sobald eine Bestellung kommt, kümmert sich Amazon um den Druck, die Lieferung, Retouren etc. - Ich habe somit auch keine Kundendaten, ich bekomme lediglich die Tantiemen/Margen welche ich für die T-Shirts festgelegt habe von Amazon ausbezahlt jeden Monat.
Ich hatte mich auch noch mit anderen Leuten ausgetauscht, die Ursprung dieser Frage war eigentlich um zu erfahren ob man bei einer deutschen, amerikanischen etc. Amazon-Advertising Rechnung (Werbekampagne, wo diese genannten T-Shirts auf amazon.de, amazon.com etc. beworben werden) die 7,7% MWST die da drauf sind, zurückfordern könnte. Dem Anschein nach ist das nicht möglich, da die Schweiz anscheinend auch kein Reverse Charge Verfahren hat (zumindest hat mir das eine andere Quelle nun so mitgeteilt). Also bleibt wohl alles so wie es ist und ich sehe auch keine direkten Vorteile wieso ich mich aktuell freiwillig bei der MWST anmelden sollte, oder?

Jeder den ich kenne und eine Unternehmung gegründet hat, wurde in den ersten 3 Jahren kontrolliert. Steuer und MWST taugliche Belege. Auch mich traf es im 2. Geschäftsjahr.

Also ich habe auch ausländische Rechnungen. Sobald diese die CH MWST verrechnen ist diese gemäss meiner Buchhalterin ganz normal als Vorsteuer anrechenbar. Anders sieht es bei ausländischer MWST aus wie die 19% in Deutschland, die streichst du dir eh ans Bein bei Dienstleistungen.

Da Privatpersonen die MWST ja selber bezahlen müssen, wäre es für dich aus meiner Sicht Kontraproduktiv. Wie du erkannt hast, wäre bei gleichem Preis 7,7% weniger Einnahmen bei dir. Und da die Vorsteuer hoffentlich nicht höher ist als deine MWST wäre das kein Vorteil.
Wenn die Vorsteuer höher ist, würde das ja auch bedeuten, dass du Verluste machst mit deinem Geschäft.
Weiter gilt zu beachten, dass du die Vorsteuer nur Anteilsmässig abziehen kannst, falls du noch Einkommen hast die nicht der MWST unterliegen sollten.

Da Amazon die T-Shirts herstellt und verkauft würde ich davon ausgehen, dass Amazon diese mit MWST verkaufen muss auch wenn dein Unternehmen nicht bei der MWST angemeldet ist. Du bist im Prinzip einfach ein (Design-)Lieferant für Amazon.

Das kannst du ev. einfach nachprüfen. Zeigt Amazon im Endkunden-Shop für deine T-Shirts Preise mit oder ohne MWST an? Ist vermutlich spätestens im Checkout sichtbar.

Wenn diese Annahme korrekt ist, so sollte eine MWST-Anmeldung keinen negativen Effekt auf die Einnahmen haben. Und Amazon Advertising Rechnungen mit 7.7% MWST sollten Vorsteuer-berechtigt sein.

Ich bin nicht sicher, ob dieser Fall als „Leistung im Ausland“ gilt (Empfängerortsprinzip, vermutlich Deutschland für amazon.de). Falls ja, dann kannst du Amazon eine Nettorechnung für die Margen zustellen. Reverse Charge gilt meines Wissens in diesem Fall (Amazon ist für die MWST im Zielland verantwortlich). Aber ich weiss nicht wie das bei Amazon genau läuft bzgl. MWST-Rechnung. Du musst diese Einnahmen als Umsatz in der MWST-Abrechnung deklarieren, aber kannst sie dann gleich wieder als „Leistungen im Ausland“ abziehen (Ziffer 221).

Falls es nicht als „Leistung im Ausland“ gilt (also Dienstleistungsort Schweiz), so müsstest du Amazon eine Rechnung inkl. MWST zustellen. Amazon müsste dir also zusätzlich zur Nettomarge auch noch die MWST zahlen. Du würdest diese dann an die ESTV abliefern (abzgl. Vorsteuerabzug) und Amazon könnte dann ihrerseits die bezahlte MWST als Vorsteuer abziehen. Wäre also ein Nullsummenspiel.

Das Empfängerortsprinzip ist die Grundregel bei Dienstleistungen. Ich vermute, dass dies auch hier zutrifft. Aber ganz sicher bin ich nicht. Siehe „Ort der Dienstleistung“ in Grundsätze der Mehrwertsteuer.

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