Du hast die Frage ja unbenannt, finde ich eine interessante Frage ob Beratung ohne Provision möglich ist (in der Finanzberatung).
Dazu muss man mal folgende wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anschauen:
- Berater haben Löhne
- Firmen in denen die Berater angestellt sind müssen diese Löhne bezahlen und haben auch sonst Kosten und zum Teil auch sonst Angestellte die nicht direkt Umsatz generieren wie z.B. IT, Administration, Buchhaltung, etc.
- Firmen sind primär ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen und Shareholdern verpflichtet.
- In Beratungsfirmen müssen die Berater das Einkommen erzielen um die ganze Firma am Laufen zu erhalten.
- In grösseren Firmen werden Produkte evaluiert mit welchen die Firma am meisten verdienen kann.
- Die Berater bekommen in der Regel Anweisungen vom Management welche dieser Produkte zu verkaufen sind und oftmals gibt es auch noch Bonus-relevante Ziele wieviel davon zu verkaufen ist. Der Berater hat also auch einen gewissen Druck zu verkaufen da er ansonsten weniger Bonus erhält.
So, wie kann also ein Berater primär dieses Einkommen erzielen (Nebenschauplätze lassen wir mal weg der Einfachheit halber)?
- Provisionen (bezahlt von den Firmen deren Produkte verkauft/vermittelt werden)
- Mandatsgebühr, Beratungspauschalen, Beratungshonorare, Erfolgshonorar, etc.
Im ersten Fall, besteht ein direkter Interessenskonflikt zwischen den Interessen des Kunden und denen des Beraters. Diese Firmen und Berater sind weniger unabhängig noch sonst was, selbst wenn sie es behaupten. Es mag zwar Altruisten geben auf dem Planet, aber Beratung ist ein Beruf der ein bisschen eine Haifisch Mentalität erfordert um Erfolgreich zu sein und da gibt es relativ wenig Altruisten unter Beratern. Daher: Niemand, wirklich niemand wird weniger Lohn in Kauf nehmen oder gegen die Interessen der eigenen Firma handeln nur damit es dem Kunden besser geht. Niemand.
Nur im zweiten Fall ist es möglich wirklich eine unabhängige Beratung zu erhalten. Da bezahlt man dann aber entweder pro Stunde für die Beratung, oder wie z.B. im Wealth Management mit einer Grundgebühr und einem Erfolgshonorar. Mit einem Erfolgshonorar ist die Firma auch gewzungen im Interesse des Kunden zu handeln da sie sonst weniger Profite macht und es gibt auch keinen Druck irgendwelche bestimmten Produkte zu verkaufen. Der einzige Druck der existiert ist die Produkte zu verkaufen welche für den Kunden am meisten Profite abwirft. In Privatbanken oder Universalbanken mit Private Banking / Wealth Management ist das am Ende auch eine Prestige Frage.
So und nun muss man noch die Kundensegmente betrachten:
- Wichtige Faktoren sind hier: Jung, Alt, Arm, Reich (gibt natürlich auch andere aber ich denke das sind ziemlich die wesentlichsten)
- Alt will möglichst viel persönliche Beratung und am besten auch noch 20 CHF abheben durch persönliche Vorsprache am Bankschalter. Ich bin immer wieder erstaunt wieviele (alte) Menschen es gibt welche ihre Rechnungen immer noch am Postschalter bezahlen. Unglaublich.
- Jung möchte lieber mehr selber machen, mehr Internet und App-based, Self-Service, möglichst einfach und möglichst schnell, nicht mehr irgendwo hin gehen für irgendwelche Beratungstermine.
- Arm kann sich keine Beratung leisten und ist daher auf Haifische aus Option 1 angewiesen.
- Reich wird wohl kaum Beratung durch KV Lernender / Finanzberater/-planer mit Zertifkat etc. in Anspruch nehmen, der möchte eher die Top Ausgebildeten Private Banker / Vermögensverwalter.
Daraus lässt sich wiederum ableiten:
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Option 2 ist vorallem für (U)HNWI-Kunden interesssant, ansonsten wird man wohl keine unabhängige Vermögensverwaltung in Anspruch nehmen, Junge und Arme können sich das gar nicht leisten und selbst wenn sie das bei der Bank machen, wenn man da nicht in einem gewissen Kundensegment ist ($$$) dann kommt man da gar nicht an die richtigen Leute ran und wird mit den KVs abgespiesen. Ein Mittelständischer könnte sich wenn er das denn wollte hin und wieder mal eine Stunde beim Steuerberater oder so leisten aber viel mehr wird der sich wohl auch nicht leisten. Heute muss ja alles gratis sein.
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Alte anderen sind dann also gewzungen:
- a.) sich selber zu informieren (wie das ja auch viele in diesem Forum machen)
- b.) oder halt Option 1 in Anspruch zu nehmen
Und von den beiden Option würde ich unbedingt a.) empfehlen. Warum? Siehe oben bzgl. wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Also wenn ich persönlich jetzt ein Business aufbauen müsste in einem der Bereiche, würde ich das wohl im Bereich Vermögensverwaltung tun, was aber ultra-kompliziert und mühsam wenn man die eine Zielgruppe ansprechen möchte (Alt oder Reich), und wenn man die andere Zielgruppe ansprechen möchte, dann würde ich wohl etwas neues versuchen was diese Zielgruppe auch anspricht.
Klar die typische Allfinanzmasche funktioniert sicher immer noch und ist daher sicherlich interessant, denn die kognitiven Fähigkeiten einer Mehrheit der Bevölkerung sind nun mal gelinde gesagt nicht wirklich besonders ausgeprägt. Das kann man natürlich machen und Geld damit verdienen in dem man Leute über den Tisch zieht.
Wenn man aber etwas anbieten möchte welches jetzt eher die ärmere oder jüngere Zielgruppe anspricht, aber dennoch einen Mehrwert liefert ohne die Blödheit der Menschen auszunutzen, dann würde ich wohl nichts mit Beratung machen sondern halt eher etwas was zukunftsgerichtet ist und auch die jüngeren anspricht. Keine persönliche Beratung sondern eher eine technologische Lösung via Web oder App und automatisiert.
Beispiel?
Eine Website/App wo man all seine Konten/Karten verknüpft (ist ja mit Open Banking möglich), Versicherungen etc. sind auch alle da drin, wie auch alle Abos und jede Rechnungen die man bezahlt, sämtliche Ausgaben, und dann werden diese Daten analysiert und das Tool macht eine Liste mit Vorschlägen wie man Geld sparen kann. Das Tool konsilidiert Daten von vielen verschiedenen Anbietern und kann daher für Kunden Optimierungen automatisch oder mit Machine Learning errechnen.
Beispiele?
- Sie haben jeden Monat Betrag XY zur freien Verfügung und Ersparnisse von XY, gleichzeitig hatten sie in den letzen 3 Jahren medizinischen Kosten im Umfang von XXX. Ziehen Sie in Betracht Ihre Franchise auf 2500 CHF zu erhöhen und den Anbieter von XY zu ABC zum Model XX zu wechseln. Durch den Anbieterwechsel und die höhere Franchise sparen XXXX CHF pro Jahr.
- Sie telefonieren im Durchschnitt XX Minuten pro Monat und verwenden XX GB Datenverkehr. Ziehen Sie in Betracht auf ein günstigeres Abonnement bei Anbieter XY zu wechseln.
- Sie fahren X Tage im Monat mit der SBB, Ihr GA lohnt sich nicht, wechseln Sie stattdessen auf Abo XY.
- Sie kaufen jeden Monat den ETF XY und haben ein Gesamtvermögen von XY CHF und machen durchschnittlich XX Transaktionen pro Jahr in CHF, …, Aufgrund Ihres Profils würde es sich lohnen zu Anbieter XY zu wechseln, Sie würden dadurch XXXXX CHF sparen.
…
Da kann man gewisse Basis Empfehlungen kostenlos abgeben und wenn man die Premium Empfehlungen haben will dann kostet das Abo was. Kannst auch gleich sagen Abo kostet 9 CHF im Monat, mit dem derzeitigen Datenstand würden Sie 7923 CHF im Jahr sparen.
Eher sowas würd ich machen. Das spricht die Jungen eher an, kann sich jeder leisten, die Empfehlungen sind rein Daten-basiert und errechnen was für den Kunden am besten ist. Primärer Profit der Firma erfolgt durch Subscription.